Das Gros der Kreuzfahrtbranche ist weit davon entfernt, den Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens zu entsprechen. Das ist das Ergebnis des heute veröffentlichten NABU-Kreuzfahrtrankings. Die Abfrage bei den 18 größten Anbietern auf dem europäischen Markt ergab, dass kaum eine Reederei eine konkrete Strategie hat, den konsequenten Umbau der Flotte in Richtung emissionsfreiem Betrieb voranzutreiben. Allenfalls einzelne Unternehmen, wie Ponant und AIDA, haben die Entwicklung entsprechender Antriebe angefangen und teilweise sogar in Pilotprojekten zum Einsatz gebracht. Auch prominente Anbieter aus Deutschland, wie TUI Cruises oder Hapag-Lloyd Cruises, stellen sich noch nicht im nötigen Maße der Herausforderung des Klimaschutzes, schneiden aber zusammen mit MSC und dem norwegischen Anbieter Hurtigruten deutlich besser ab als der Branchenschnitt.
Klimaschutz in der Kreuzschifffahrt ist derzeit vor allem ein Lippenbekenntnis. Neun von 15 Anbietern bekennen sich zwar auf Nachfrage zu den Pariser Klimazielen. Sie haben aber keine nachvollziehbare Strategie, wie die Ziele erreicht werden können. Noch mehr hapert es an der Umsetzung. Der Branche läuft die Zeit davon, wenn sie im Jahr 2050 vollständig emissionsfrei unterwegs sein möchte.
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller
Mit Blick auf die durch das Corona-Virus bedingte Krise der Branche warnten die Umweltschützer davor, bereits in Aussicht gestellte Investitionen in den Klimaschutz zurückzunehmen.
Die bislang erfolgsverwöhnte Branche sollte die Zwangspause nutzen, um sich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Vorzeichen die Kreuzfahrt eine Zukunft haben kann. Auch die Politik muss eingreifen, Umwelt- und Klimaschutzauflagen sollten zur Voraussetzung für staatliche Hilfen werden. Erfreulicherweise nehmen auf europäischer Ebene Regulierungen Gestalt an, die die Schifffahrt in den Emissionshandel einbeziehen und die Steuerbefreiung mariner Kraftstoffe beenden. Der Druck auf die Anbieter wird größer. Zu lange hat man es der Industrie selbst überlassen zu entscheiden, ob und welchen Beitrag zum Klimaschutz sie leisten möchte – mit bekanntem Ergebnis.
Daniel Rieger, NABU-Kreuzfahrtexperte
Parallel zum Kreuzfahrtranking veröffentlichte der NABU seine Vision für eine emissionsfreie Kreuzschifffahrt im Jahr 2050. Der dreistufige Fahrplan benennt Maßnahmen, um den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden. So müsste etwa in den kommenden drei Jahren der Abschied vom giftigen Schweröl, die Entwicklung einer individuellen Klimastrategie und die Nutzung von Landstrom umgesetzt werden. Bis zum Jahr 2030 müsste das erste emissionsfreie Schiff in Betrieb gehen und ein Null-Emissionsstandard für sämtliche Neubauten greifen. Auch müsste die Nachrüstung der Bestandsflotte mit entsprechenden Technologien vorangetrieben werden. Damit blieben noch 20 Jahre, um bis zur Mitte des Jahrhunderts vollständig emissionsfrei unterwegs sein zu können.
Von diesen Schritten würden auch die Hafenstädte profitieren.
Landstrom ermöglicht die Nutzung erneuerbarer Energien beim Betrieb der Schiffe. Doch die Bereitstellung der Infrastruktur in den Häfen allein reicht nicht aus. Die Reeder müssen zeigen, dass sie es ernst meinen, indem sie ihre Schiffe mit entsprechenden Anschlüssen nachrüsten und sich verpflichten, den grünen Strom abzunehmen. Eine EU-weite Landstrompflicht würde die zwingend notwendige Entwicklung vorantreiben und den Hafenstädten Sicherheit für die zu leistenden Investitionen geben.
Malte Siegert, NABU-Hafenexperte: